Sonntag, 5. April 2020

Rüdiger Nehberg - ein großer Mann ist von uns gegangen

Vor Kurzem kam die Nachricht, dass Rüdiger Nehberg im Alter von 84 Jahren verstorben ist. Viele kannten ihn als den Survival-Spezialisten - "SIR VIVAL", tatsächlich hat er aber sein ganzes Leben für außerordentliche Aktionen zur Rettung von Indianern in Südamerika und gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen im Islam eingesetzt. Dabei ging er immer ohne Aggression vor, sondern versuchte mit spektakulären Aktionen auf die Missstände hinzuweisen oder im letzteren Fall in Kooperation mit Muslimen eine Veränderung zu bewirken. Und er war unglaublich erfolgreich damit, jeder hätte zuvor gesagt, das wäre völlig unmöglich, was er dann geschafft hat.
Ich hatte die Ehre, ihn auch kurz persönlich vor einigen Jahren kennenzulernen und er gab mir ein Interview, das in meinem Buch "Die Krise - na und" abgedruckt ist. Mir ging es damals vor allem um sein Engagement und wie man "unmögliche" Dinge schaffen kann.
Dieses Interview bringe ich jetzt auch an dieser Stelle und sein Beispiel kann für jeden von uns Inspiration sein, gute und richtige Dinge anzugehen - auch wenn sie zunächst "unmöglich" erscheinen. Das wird ganz besonders in der aktuellen Zeit sehr hifreich werden.

Ruhe in Frieden, lieber Rüdiger.
-----------------------------------------------------------------------------------------------


Kennen Sie Rüdiger Nehberg?

Rüdiger Nehberg ist in Deutschland, aber auch weltweit bekannt worden durch seine spektakulären Aktionen. Dreimal hat er beispielsweise alleine den Atlantik überquert, zuerst mit einem Tretboot, dann mit einem Floß und zuletzt in einem Einbaum. Weiterhin ist er als Überlebenskünstler bekannt. Schon vor über dreißig Jahren ist er zu Fuß von der Nordsee bis in die Alpen gelaufen, ohne dabei Geld zu benutzen oder zu betteln, rein in der Natur überlebend. Auch ließ er sich nackt im brasilianischen Regenwald aussetzen. Herr Nehberg ist dadurch absoluter Spezialist in jeglichen Suvival-Techniken geworden und er kennt unglaublich viele Tricks und Kniffe, sich mit einfachsten Mitteln zu versorgen. Seine Bücher sind deshalb für den Bereich Krisenvorsorge eine unbedingte Empfehlung, wenn Sie möchten, können Sie auch Kurse bei ihm buchen.

Ich habe ihn schon persönlich kennengelernt und bin von seiner Persönlichkeit sehr beeindruckt. Er ist absolut authentisch und hat eine Lebenserfahrung gesammelt, die wahrscheinlich hundert normale Menschen zusammengenommen nicht ausweisen können.

An dieser Stelle soll es aber um etwas anderes gehen. Herr Nehberg hat ab einem gewissen Zeitpunkt seine aufsehenerregenden Aktionen nicht mehr aus reiner Abenteuerlust gemacht, sondern um eine Öffentlichkeit für bestimmte Probleme und Aktionen zu erreichen.

Zunächst einmal hat er aber auch seine spektakulären Aktionen nie blauäugig begonnen, sondern sich akribisch darauf vorbereitet. Er absolvierte beispielsweise eine Kampfschwimmerausbildung bei der Bundeswehr, bevor er das erste Mal den Atlantik überquerte. Das Motto bei den Kampfschwimmern lautet übrigens: „Lerne leiden, ohne zu klagen“. Auch der Marsch durch Deutschland war eigentlich als Vorbereitung gedacht, denn Nehberg wollte auch wissen, wie lange man denn ohne Nahrung auskommt? In Deutschland kann man dieses Experiment schnell abbrechen, aber wenn man erst einmal alleine im Dschungel oder der Wüste ist, sollte man möglichst keine Panik bekommen, wenn der Magen knurrt.



Der Mensch kann übrigens relativ lange ohne Nahrung auskommen, nach ca. drei Tagen verschwindet das Hungergefühl. Das ist auch für Sie in der Krise wichtig, wenn einmal die Nahrung knapp werden sollte. Panik hilft nämlich in den seltensten Fällen weiter.

So wusste Nehberg dann aber auch, wenn er im Dschungel einmal ein paar Tage nichts zwischen die Zähne bekommt, bringt ihn das nicht gleich um.

Es ist sehr wichtig, bevor sich jemand auf derartige extreme und gefährliche Reisen begibt, dass er sich bestmöglich auf alle denkbaren Eventualitäten vorbereitet hat. Rüdiger Nehberg war nie lebensmüde und ignorierte oder verdrängte die Risiken und Gefahren im vorhinein. Das ist auch einer der primären Gründe, warum er mit mittlerweile 78 Jahren immer noch unter uns weilt – übrigens geistig wie auch körperlich topfit.

Wir können und müssen daraus lernen, dass auch wir uns bestmöglich auf alle Eventualitäten vorbereiten sollten, dann verlieren auch schwierige Dinge ihren Schrecken. Wir müssen uns ja nicht freiwillig im Dschungel aussetzen lassen, aber die Krise wird uns in Situationen hineinkatapultieren, die nicht immer wünschenswert sind. Wenn Sie sich vorher damit auseinandergesetzt und Pläne durchdacht haben nach dem Schema: „was wäre wenn?“, eventuell sogar auch einige materielle Vorbereitung getroffen haben, dann werden Sie nicht in Panik verfallen. Panik hilft niemals und endet häufig tödlich, da dann kein klares Denken mehr möglich ist.

Das ist einer der Hauptgründe, weshalb jeder sich mit auch leider sehr negativen Zukunftsszenarien auseinandersetzen sollte. Momentan können Sie diese Dinge im warmen zuhause bei einer guten Tasse Tee oder Kaffee in Ruhe durchdenken und Pläne machen. Sollten die Dinge nicht passieren, haben Sie ein paar Stunden verloren. Geschehen diese Dinge aber, werden Sie nicht mehr in Panik verfallen, auch wenn natürlich nicht alle Pläne 1:1 so funktionieren werden, wie Sie sich das vielleicht vorgestellt haben. Je nachdem, worum es sich handelt, werden Sie aber im Ernstfall aber auch gar nicht mehr die Zeit haben, die Dinge lange zu durchdenken. Da werden Sie unter Umständen innerhalb von Minuten sehr weitreichende Entscheidungen treffen müssen. Je mehr Sie im Vorhinein durchdacht haben, desto weniger kann Sie später überraschen und aus der Bahn werfen. Natürlich werden Sie nicht 100% aller möglichen Entwicklungen vorher umfassen können. Das konnte Herr Nehberg aber auch nicht und er hat scheinbar unmögliche Aktionen gut überlebt. Das ist sehr deutlich seiner akribischen Vorbereitung geschuldet.

Es gibt aber zwei weitere entscheidende Bereiche, die zum Erfolg von Herrn Nehberg beigetragen hat: klare Ziele und Beharrlichkeit!

Herr Nehberg hat u.a. zwei ganz große Dinge erreicht, von denen man im Vorhinein gesagt hätte: „das wird nie und nimmer funktionieren!“

Zunächst setzte er sich für ein sehr ursprüngliches Indianervolk im Norden Brasiliens ein. Die Yanomami-Indianer waren durch die Goldsucher, die immer größere Flächen in dem Indianergebiet nutzen, von der Ausrottung bedroht. Nachdem Nehberg zunächst alleine im Regenwald auf die Suche nach diesen Indianern gegangen war und sie auch fand, wurde er auf die Problematik aufmerksam. Als nächsten Schritt verdingte er sich dann zunächst bei den Goldsuchern, um dadurch festzustellen, dass diese eigentlich auch nur Opfer waren. Es waren primär Arme aus den Großstädten, die von einer Mafia angeheuert wurden, das Gold zu suchen und abzuliefern.

Es stellte sich heraus, dass korrupte Politiker mit dieser Mafia unter einer Decke steckten. Normalerweise würde man davon ausgehen, dass ein einzelner Mann aus Deutschland hier nie etwas ausrichten kann. Es hatte am Ende auch 18 Jahre gedauert, aber mit der Zeit bekam Nehberg immer mehr Unterstützung und natürlich war am Ende auch noch ein wenig Glück dabei. Der blockierende Staatspräsident wurde irgendwann ersetzt und dann gelang der Erfolg. Das Glück hilft dem Tüchtigen!

Die Aktion, welche danach folgte, ist noch unglaublicher. Auf einer Reise durch Nordafrika wurde Rüdiger Nehberg auf das Problem der Beschneidung von Frauen aufmerksam. Im Gegensatz zu der männlichen Beschneidung ist das eine Verstümmelung, welche die Frau ihr ganzes Leben schädigt. Es wird normalerweise schon bei kleinen Mädchen vorgenommen, wobei ein nicht geringer Anteil der Mädchen dieses nicht überlebt oder schwere physische und psychische Schäden für den Rest des Lebens davonträgt. Vor zehn Jahren wurde dieses in bestimmten Ländern primär in Nordafrika an den meisten Mädchen durchgeführt. Als Grund wurde immer der Koran genannt. Es wurde nicht viel darüber geredet, es war einfach üblich, es zu machen. Aber auch im Rest der Welt gab es im muslimischen Umfeld durchaus diese Beschneidungen.

Nun würde man sagen, es ist völlig aussichtslos, hier als Christ aus dem Westen jemals irgendetwas zu erreichen. Als Rüdiger Nehberg anfing, sich hier zu engagieren, kamen von anderen auch alle möglichen Vorurteile über den Islam als solches als Antwort. Rüdiger Nehberg bereitete sich aber auch hier sehr gut vor und sagte sich, dass es erst einmal Beweise dafür geben muss. Zusammen mit seiner Frau schaffte er es, Fotos und Filme von derartigen Vorgängen zu erstellen. Damit ging er dann die islamische Führungshierarchie immer weiter nach oben, bis hin zum obersten sunnitischen Führer. Es war relativ schnell klar, dass im eigentlichen Koran nichts von dieser weiblichen Beschneidung stand. Erstaunt stellte er fest, dass auch die geistlichen Führer sehr kooperativ waren, nachdem sie die Bilder gesehen hatten.

Am Ende stand dann eine von dem Großmufti von Ägypten, Prof. Dr. Ali Gom’a als Schirmherr einberufene Konferenz, in der die Beschneidung der Mädchen bzw. Frauen von den obersten muslimischen Religionslehrern offiziell geächtet wurde.

Das hat nun zu einer massiven Eindämmung dieser jahrtausendealten schlimmen Praxis geführt. Er ist hier noch nicht ganz an seinem selbst gesteckten Ziel, er hat aber bereits Unglaubliches erreicht!

Rüdiger Nehberg hat hierzu eine Organisation „Target“ (www.target-human-rights.com) gegründet, die auch weitere Hilfsprojekte wie beispielsweise den Bau von Krankenstationen vorantreibt. Ich mache an dieser Stelle gerne Werbung für dieses Projekt, denn es macht sehr viel Sinn und Spendengelder gehen hier direkt zu sinnvollen Projekten für die Bedürftigen.



Was lernen wir von Rüdiger Nehberg als Vorbild?

Es ist fast nichts unmöglich, wenn Sie folgende Dinge beachten:

  • Stecken Sie sich ein klar definiertes Ziel

  • Bereiten Sie sich äußerst akribisch vor und planen Sie für alle Eventualitäten, die Ihnen in den Sinn kommen.
  • Haben Sie Geduld und Ausdauer und seien Sie beharrlich.

Ein wenig Glück braucht es auch dazu, aber das werden Sie bekommen, wenn die anderen Dinge stimmen. Insbesondere in der Krise wird es immer wieder Situationen geben, in denen viele sagen werden: „dieses oder jenes ist doch aussichtslos!“ Lassen Sie sich von Rückschlägen nicht von ihrem Ziel abbringen. Auch Rüdiger Nehberg musste viele kleinere Niederlagen immer wieder hinnehmen, bevor der letztendliche Erfolg gelang.

Das gilt im Übrigen für alle Vorhaben. Leider reichen bei vielen Menschen die Geduld und die Beharrlichkeit oft nicht aus. Auch bedeutet eine akribische Vorbereitung nun einmal Arbeits- und Zeitaufwand. Nicht zuletzt muss auch das Ziel sehr klar sein, ansonsten können Sie es nicht erreichen.

Nehmen Sie sich als Rüdiger Nehberg als Vorbild, um Planungen für den Krisenfall zu erarbeiten und denken Sie an seine Herangehensweise, wenn Ihnen in der Krise Zweifel kommen, ob Sie etwas überhaupt jemals schaffen können.

Nicht zuletzt ist es sehr hilfreich, das eine oder andere Buch von ihm zur Hand zu haben. Der Klassiker ist sein Buch „Überleben ums Verrecken“, in dem er sein praktisches Wissen vermittelt. Dieses Buch kann in der Krise unter Umständen lebensrettend für Sie sein!

In handlicherer und etwas geraffter Form gibt es dann auch noch das „Survival-Lexikon für die Hosentasche“, welches man sehr gut jederzeit mit sich führen kann. Sollte Rüdiger Nehberg in Ihrer Nähe einen Vortrag geben, würde ich unbedingt empfehlen, sich ihn einmal live anzuschauen. Die Vorträge sind hochinteressant, sehr kurzweilig und aber auch humorvoll gestaltet.

Rüdiger Nehberg hat mir dankenswerterweise ein exklusives Interview gegeben, das Sie nun an dieser Stelle lesen können.


Sowohl auf Ihren Reisen als auch bei Ihren Projekten gab es sicher immer wieder Momente, an denen es nicht so gut lief und Sie ans Aufgeben gedacht haben. Wie konnten Sie sich immer wieder motivieren, in diesen Situationen nicht das Handtuch zu werfen?

Augenzeuge von etwas geworden zu sein, ist Motivation und Unbremsbarkeit pur. Vor allem, wenn es um Dimensionen unüblichen Ausmaßes geht: da waren der drohende Völkermord an den Yanomami-Indianern in Brasilien und der größte Bürgerkrieg aller Zeiten: das Verbrechen Weibliche Genitalverstümmelung.
Ein paar Worte zur Geschichte und Veranschaulichung der Dimensionen:

Von 1980 bis 2000 galt mein Hauptengagement dem Kampf um das Überleben der Yanomami-Indianer in Brasilien. Das letzte große Urvolk des Kontinents, das sich bis dahin seine ursprüngliche Lebensform erhalten konnte, wurde nun massiv bedroht durch eine Armee von Goldsuchern. 65.000 Goldsucher operierten mit 400 Flugzeugen an 120 Landepisten. Bürgerkrieg im Regenwald. Indianerschutzdienst, Armee, Polizei und Politik arbeiteten Hand in Hand zusammen. Gegen die Indianer. Das Drama ließ sich gut vertuschen, weil es damals noch keine Satellitenaufnahmen gab, die öffentlich zugänglich waren und die Medien sich weitgehend dem diktatorischen Druck der damaligen Regierung beugten.

Ich war auf die Vorgänge aufmerksam geworden durch brasilianische Menschenrechtler und entschloss mich, mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Wie vor jedem Vorhaben, habe ich mir Strategien überlegt, um gewappnet zu sein gegen alle denkbaren Widerstände. So wie es auch Peter Denk tut mit seinem „Krisenrat“. Ich wollte vorbeugen und lebend heimkehren.

Beim ersten Mal ging ich allein. Allein wirkt man nicht gefährlich. Weder auf die Goldsucher, noch auf das Militär, noch auf die Indianer. Mein Survival-Wissen war meine wichtigste Lebensversicherung. Die Strategie war erfolgreich. Ich wurde Augenzeuge des drohenden Völkermordes am letzten Urvolk Amerikas. Als solcher fühlte ich mich verpflichtet, meine Beobachtungen bekannt zu machen und Hilfe zu organisieren. Bücher, Filme, Vorträge wurden meine Waffen. Was mir half, nie aufzugeben, waren zunächst die Wut und Verpflichtung des Augenzeugen. Zu meinen Waffen wurden die (gute) brasilianische Verfassung, die beschafften Bilddokumente und die Erfolge. Auch wenn sie nur zögerlich einsetzten.
Mein aktuelles Projekt ist der Kampf gegen das Verbrechen Weibliche Genitalverstümmelung. Meine Waffen diesmal: die Bilddokumente von der grauenhaften Prozedur, der Heilige Koran sowie Kraft und Ethik des Islam. Als ich zu Beginn des Kampfes keine Partner bei deutschen Menschenrechtsorganisationen fand („Der Islam ist doch gar nicht dialogfähig!“), haben meine Frau Annette, fünf Freunde und ich TARGET gegründet, um von Feiglingen und Zeitgeistpredigern unabhängig zu sein. Ein Rat von Amnesty International – der beste meines Lebens.

Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Nach nur sechs Jahren durften wir Fremden (!) in der Azhar zu Kairo (vergleichbar mit dem Vatikan der Katholiken) eine „Internationale Gelehrtenkonferenz“ einberufen. Ägyptens Großmufti Prof. Dr. Ali Gom’a hatte dafür sogar die Schirmherrschaft (noch ein paar Ausrufungszeichen: !!!) übernommen. Geladen waren die allerhöchsten Theologen des sunnitischen Islam. Der Beschluss, die Fatwa, kommt einer Sensation gleich. Er schafft die wichtigste Voraussetzung für das Ende dieser menschenverachtenden Tradition.
Der Brauch wurde am 24.11.2006 offiziell durch die Religion als „Verbrechen geächtet, das gegen höchste Werte des Islam verstößt“.

Auch bei diesem Engagement, genau wie bei dem für die Yanomami, war es zunächst die grenzenlose Wut von uns Augenzeugen. Dann kamen die Erfolge in Form der beglückenden Kooperation mit den Geistesführern des Islam hinzu. Das waren oft Männer im letzten Drittel ihres Lebens, die den Mut aufbrachten, ihre lebenslang vertretene Meinung zu revidieren und sich dazu öffentlich dazu zu bekennen. Wir haben uns mit höchstem Respekt und tiefer Demut vor ihnen verneigt (nachzulesen im Buch „Karawane der Hoffnung).
Noch ist die Karawane nicht am Ziel. Die Scham, über den Unterleib der Frau zu sprechen, ist bisher stärker geblieben als Verstand und guter Wille. Deshalb werden beeindruckende Aktionen folgen.
Unsere Homepage und die Medien werden darüber berichten (www.target-nehberg.de). 

Sie wurden 25 Mal bewaffnet überfallen, in Äthiopien wurde ihr Freund vor Ihren Augen erschossen, Momente also, in denen Sie Angst hatten. Wie haben Sie diese Situationen mental überwunden und es geschafft, dass diese Angst Sie nicht lähmt?
Auch hier half mir immer die vor den Reisen durchgeführte Analyse aller denkbaren Gefahren und die entsprechende Vorbereitung darauf. Geistig und mit Training. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Als ich mit dem Tretboot, dem massiven Baumstamm und dem Bambusfloß über den Atlantik wollte, halfen mir, dem immer seekranken Seemann, das Angstüberwindungstraining bei den Kampfschwimmern und Marinefliegern, der Navigationslehrgang bei einem pensionierten Kapitän, Verteidigungsschießen aus der Hüfte bei der Polizei in Hamburg, Portugiesisch-Kurse u.a.. Die Vorbereitungen waren oft genauso spannend wie die Reisen selbst. In bedrohlichen Situationen kommt außerdem das allen Lebewesen veranlagte instinktive Verhalten zum Durchbruch, die übermenschliche Kraft, die der Todesangst entspringt. Lähmung habe ich nie empfunden. 

 
Der Erfolg Ihrer Missionen und Projekte hängt sicher auch mit dieser Ihrer jeweiligen sehr ausführlichen Planung im Vorfeld zusammen. Haben Sie sich mögliche Problem-/Krisenszenarien im Vorhinein überlegt und wie Sie darauf reagieren werden ? Wie viele dieser Szenarien sind dann tatsächlich eingetroffen und wie stark hat Ihnen das dann im Nachhinein geholfen? Wie stark war auch die Fähigkeit zu improvisieren gefragt?
Nach jedem Überfall dachte ich, DAS passiert mir nicht noch einmal. Dann kam der nächste Überfall, und der war wieder komplett anders. Situationen, wo das blitzschnelle Reagieren und Improvisationstalent gefragt sind und dieses Gespür wächst mit den Erfahrungen. Ein Beispiel: vor der Reise zum Blauen Nil haben wir immer wieder das Szenario durchgespielt, nach einem unerwarteten Überfall versprengt worden zu sein. Unbekanntes Gelände. Verfolgt von Landeskennern. Wie bringt man sich in Sicherheit? Wie findet man einander in unbekanntem Gelände wieder, ohne Kontakt miteinander zu haben? Wie muss der Überlebensgürtel bestückt sein, um auch allein bestmöglich und selbst nach Wochen der Flucht lebend heimzukehren? Wie lange funktioniere ich ohne Nahrung (Live-Test)?

 
Sie haben sowohl bei Ihren Reisen, insbesondere aber auch Ihren Projekten wie TARGET oder der Rettung der Yanomami-Indianer Dinge geschafft, von denen vorher die meisten Menschen gesagt hätten, dass es unmöglich sei. Können Sie schildern, welche Faktoren für diese Erfolge ausschlaggebend waren?

 
Es gibt einen schönen Postkartenspruch:

Alle sagten, das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.“
Die Es-geht-nicht-Sager gibt es zuhauf. Meist wollen sie damit vor allem ihre eigene fehlende Courage übertönen. Mit solchen habe ich nie meine Zeit vergeudet. Für die Atlantik-Überquerungen genügten mir physikalische Grundkenntnisse, die besagen, dass Leichtes auf Schwererem schwimmt. Entsprechend habe ich mein Tretboot, den massiven Baumstamm und das Bambusfloß gebaut und den Atlantik überquert. Zweimal allein, einmal mit Partnerin.
Bei der Annäherung an die Yanomami-Indianer habe ich anderen Grundregeln vertraut. Ich ging allein. Da wirkte ich auf niemanden gefährlich. Ich ging fast unbekleidet. Da sah jeder schon von Weitem meine Wehrlosigkeit. Ich machte Musik auf einer Mundharmonika und signalisierte jedem, dass ich gesehen werden wollte und Positives im Sinn hatte. Nur Feinde schleichen.

Außerdem hatte ich fast kein Gepäck. Der Urwald war mein Supermarkt. Dadurch war ich flexibler als jeder im Dschungelkampf trainierte Soldat. In Sachen FGM (Anm. Autor: Weibliche Genitalverstümmelung) wusste ich, dass der Koran es nicht fordert, sondern ablehnt, Menschen grundlos Schaden zuzufügen. Ich wusste auch, dass Männer bei den Operationen meist nicht zugegen sind. Ihnen fehlt das Wissen um die Dimension dieser Schändung und vergleichen sie fälschlicherweise mit Männerbeschneidung. Dieses fehlende Wissen vermittelte ich ihnen mittels ungeschönter Aufnahmen.

Mein Vertrauen in Islam und Muslime basiert auf Erlebnissen in meiner Twen-Zeit. Das waren positive Erfahrungen in jordanischen Gefängnissen und auf eigenen Karawanen. Überall habe ich die hohe Ethik islamischer Gastfreundschaft erfahren. Zweimal retteten mir muslimische Karawanenführer bei Überfällen sogar mit ihren Körpern als lebende Schilde das Leben. So was verpflichtet. Hinzu kommt, dass ich frei bin von westlicher und christlicher Überheblichkeit. Die Indianerausrottung, Inquisition, Kreuzzüge sind nur wenige Beispiele, die mich auf sachliche Distanz zum Christentum gebracht haben. Mit 17 bin ich ausgetreten.

 
Sie haben auch sehr viel mit Menschen zu tun. Nicht alle waren/sind Ihnen sicher positiv gegenüber eingestellt. Nach meiner Einschätzung gehen Sie aber sehr positiv auf Menschen unterschiedlichster Herkunft und Tradition zu.
Gibt es hierbei Dinge, die Sie beachten und die Ihnen dabei dienlich sind, überall auf der Welt Unterstützung und Freundschaft zu finden?

Ich komme als Mensch zu Mensch, in Augenhöhe, mit Respekt und Interesse an seiner Kultur, möglichst mit einem Lächeln, gern mit Humor. Ich habe mir ein soziales Verantwortungsbewusstsein erhalten und helfe, wenn ich merke, dass Betroffene sich nicht selbst aus ihrer verzwackten Situation befreien können. So wie die Deutschen der Hilfe der alliierten ausländischen Streitkräfte bedurften, um vom Joch der Nazis befreit zu werden, so bedürfen es die genitalverstümmelten Frauen. Die volkseigenen Traditionen lassen eine Änderung kaum zu.
Dass ich oft überraschend Unterstützung in höchsten Kreisen fand, lag daran, dass ich solche Entscheidungsträger einfach gefragt habe. Immerhin waren darunter der Papst, die Weltbank, der Großsheikh der Azhar, der Großmufti Ägyptens und viele andere Menschen, die hierarchisch darunter einzuordnen sind.



Wie gehen Sie mit Ablehnung um?

Mit Ablehnungen habe ich keine Probleme. Auch ich kann nicht jedes Anliegen erfüllen, das an mich gestellt wird. Aber sie deprimieren mich nicht. Im Gegenteil. Sie sind notgedrungen der Quell neuen Nachdenkens, großer Inspirationen.

Gibt es Dinge, die Sie aufgrund Ihrer umfangreichen Lebenserfahrung Menschen mitgeben würden, damit diese zunächst ihr Leben besser meistern und auch mit Krisen besser umgehen können?

Niemand ist zu gering, Missstände zu beheben. Es ist keine Frage von Herkunft, Geschlecht, Alter, Wohlstand, sondern eine der guten Strategien. Man erinnere sich nur daran, dass alles Menschgemachte immer zunächst im Kopf einer einzigen Person entstanden ist. Egal, ob die eine Religion, Partei, ein Dorf simple Nachbarschaftshilfe oder PETERs DENKanstöße begründet hat. Ich erinnere mich an einen Religionsgründer, der einfacher Zimmermannsgehilfe gewesen sein soll, ein anderer war Kaufmann. Che Guevara war Mediziner, Nelson Mandela Rechtsanwalt. Ich war Bäcker, ein überlebenswichtiger Beruf.


Gibt es mentale Techniken, spirituelle Techniken (Meditation, Yoga, Gebet) die Sie praktizieren und die Ihnen helfen?

Ich habe mich mit Autogenem Training auf die erste Atlantikreise und die erste Begegnung mit den Indianern eingestellt. Ich bin aber kein meditativer Mensch, verlasse mich nicht auf Sterne, sondern ausschließlich auf mich selbst und das, was die Natur mir mitgegeben hat. Ich bin Pragmatiker. Darüber hinaus vermeide ich, das zu kopieren, was andere schon hundertmal vorexerziert haben. Getreu der Devise: „Wer mit der Herde geht, kann nur den Ärschen folgen.“

Wie stehen Sie zu aktuellen Lage in Europa und der Welt, und was erwarten Sie in naher Zukunft ?

Die Gründung der EU habe ich seinerzeit beglückt staunend zur Kenntnis genommen und stehend bejubelt. Als Europa den Friedensnobelpreis erhielt, habe ich mir sofort eine Europafahne gekauft und sie an meinem Straßenmast hochgezogen. Nach den Jahrtausenden der Feindschaften und Kriege dieses unvorstellbare Ereignis!
Der Nachteil zeigt sich jetzt. Da sind in der Hektik der Gründereuphorie Vereinbarungen unter Völkern unterschiedlichster Wesensart getroffen worden, die nicht ausgereift waren. Sie müssten revidierbar sein und nicht so, dass einer für den anderen haftet, egal wie aberwitzig dessen Inkompetenz ist.

Die Zukunft der Welt wird geprägt sein von Konfrontationen zwischen Arm und Reich. Überbevölkerung, Migrationen, Klimaveränderungen und religiöser Wahn werden zu großen Herausforderungen für unsere Nachkommen werden. Dagegen stehen des Menschen Intelligenz mit seinem explodierenden Erfindungsreichtum.

Zur Lösung der menschlichen Probleme müssten die Weltreligionen ihren Einfluss in die Wagschale werfen. Ein interreligiöser Krisenrat, der auf missionarisches Gedankengut verzichtet und die Kräfte seiner Religion in friedliche und konstruktive Bahnen lenkt, wäre ein solches Beispiel. Wenn wir das nicht einsehen, werden Katastrophen uns die Entscheidungen abnehmen. Und später im großen Himmelreich wird unser aller Schöpfer uns verraten, wessen Religion nun wirklich die bessere gewesen ist.


Was raten Sie jemanden, wenn er vor die Situation gestellt würde, in Deutschland mindestens zwei Wochen ausschließlich in der Natur überleben zu müssen? Was sollte er zur Vorbereitung kaufen und/oder trainieren ?

Sich mit dem grandiosen Thema Survival auseinandersetzen, dieser vielgestaltigen Kunst zu überleben, der Rückbesinnung auf Urinstinkte und Urfertigkeiten, wie jedes frei lebende Tier sie besitzt, und die uns durch den Luxus des Wohlstandes längst abhandengekommen sind. Wer meine Bücher „Überleben ums Verrecken“ und „Medizin Survival“ gelesen hat, hat genau die Einführung, die mir mein Leben ermöglicht hat. Er/sie wird unsterblich.
Wem das nicht unbedingt das lohnenswerteste Ziel ist, der findet in den Büchern auch Anregungen zum Freitod.

Nach dem Studium der Bücher verbündet man sich mit einem/r Gleichgesinnten und startet die vielfachen Trainings. Von der einfachen Kuschelnacht am Lagerfeuer bis hin zum Arctic Sadistic Training, wo man mit Fürzen Löcher ins Eis schmilzt, um sich Fische herauszuholen. Aberwitz, Lebenslust und Lebensgefahr pur. Ohne Versicherung. Gut planen, aber dem Restrisiko eine faire Chance lassen. Sonst wird’s langweilig.
Oder meine anderen Bücher lesen, in denen ich vom Deutschlandmarsch ohne Ausrüstung, Atlantik-, Wüsten- und Dschungelerlebnissen berichte. Gebrauchsanweisungen für pralles Leben, für jeden Menschen, zu allen Zeiten.



Sie haben sehr große Strecken zu Fuß zurückgelegt, was viele Menschen hierzulande überhaupt nicht mehr kennen. Worauf muss man achten, wenn es doch einmal notwendig sein sollte ? Wie viele km legt man als untrainierter Wanderer pro Tag realistisch zurück, wenn man kein Hotel und Einkaufsmöglichkeit hat ? Welche Tipps haben Sie ?

Die Gebrauchsanweisung dafür ist mein Deutschlandmarsch ohne Nahrung und Ausrüstung von Hamburg nach Oberstdorf. Nachzulesen im Buch „Voll peinlich“.

Rüdiger Nehberg hat sicher auch Ansichten, die nicht jedermann teilen muss. Ich denke aber, aus seiner Erfolgen und Erfahrungen können Sie sich einiges für Ihr eigenes Leben und dessen Gestaltung abschauen. Gerade in der zukünftigen Krise werden wir Menschen benötigen, die mutig und mit ihrem Ziel vor Augen vorangehen mit der Devise: Unmöglich gibt es nicht !“Also gestalten Sie Ihre Zukunft selbst und gehen Sie mutig voran, egal was auch immer um Sie herum passieren wird. Natürlich gibt es auch immer wieder einmal Dinge, die am Ende dann doch nicht funktionieren. Wenn Sie es aber gar nicht erst probieren, haben Sie schon von vornherein verloren.