Vor Kurzem kam die Nachricht, dass Rüdiger Nehberg im Alter von 84 Jahren verstorben ist. Viele kannten ihn als den Survival-Spezialisten - "SIR VIVAL", tatsächlich hat er aber sein ganzes Leben für außerordentliche Aktionen zur Rettung von Indianern in Südamerika und gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen im Islam eingesetzt. Dabei ging er immer ohne Aggression vor, sondern versuchte mit spektakulären Aktionen auf die Missstände hinzuweisen oder im letzteren Fall in Kooperation mit Muslimen eine Veränderung zu bewirken. Und er war unglaublich erfolgreich damit, jeder hätte zuvor gesagt, das wäre völlig unmöglich, was er dann geschafft hat.
Ich hatte die Ehre, ihn auch kurz persönlich vor einigen Jahren kennenzulernen und er gab mir ein Interview, das in meinem Buch "Die Krise - na und" abgedruckt ist. Mir ging es damals vor allem um sein Engagement und wie man "unmögliche" Dinge schaffen kann.
Dieses Interview bringe ich jetzt auch an dieser Stelle und sein Beispiel kann für jeden von uns Inspiration sein, gute und richtige Dinge anzugehen - auch wenn sie zunächst "unmöglich" erscheinen. Das wird ganz besonders in der aktuellen Zeit sehr hifreich werden.
Ruhe in Frieden, lieber Rüdiger.
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Kennen Sie Rüdiger
Nehberg?
Rüdiger Nehberg ist in
Deutschland, aber auch weltweit bekannt worden durch seine
spektakulären Aktionen. Dreimal hat er beispielsweise alleine den
Atlantik überquert, zuerst mit einem Tretboot, dann mit einem Floß
und zuletzt in einem Einbaum. Weiterhin ist er als Überlebenskünstler
bekannt. Schon vor über dreißig Jahren ist er zu Fuß von der
Nordsee bis in die Alpen gelaufen, ohne dabei Geld zu benutzen oder
zu betteln, rein in der Natur überlebend. Auch ließ er sich nackt
im brasilianischen Regenwald aussetzen. Herr Nehberg ist dadurch
absoluter Spezialist in jeglichen Suvival-Techniken geworden und er
kennt unglaublich viele Tricks und Kniffe, sich mit einfachsten
Mitteln zu versorgen. Seine Bücher sind deshalb für den Bereich
Krisenvorsorge eine unbedingte Empfehlung, wenn Sie möchten, können
Sie auch Kurse bei ihm buchen.
Ich habe ihn schon
persönlich kennengelernt und bin von seiner Persönlichkeit sehr
beeindruckt. Er ist absolut authentisch und hat eine Lebenserfahrung
gesammelt, die wahrscheinlich hundert normale Menschen
zusammengenommen nicht ausweisen können.
An dieser Stelle soll es
aber um etwas anderes gehen. Herr Nehberg hat ab einem gewissen
Zeitpunkt seine aufsehenerregenden Aktionen nicht mehr aus reiner
Abenteuerlust gemacht, sondern um eine Öffentlichkeit für bestimmte
Probleme und Aktionen zu erreichen.
Zunächst einmal hat er
aber auch seine spektakulären Aktionen nie blauäugig begonnen,
sondern sich akribisch darauf vorbereitet. Er absolvierte
beispielsweise eine Kampfschwimmerausbildung bei der Bundeswehr,
bevor er das erste Mal den Atlantik überquerte. Das Motto bei den
Kampfschwimmern lautet übrigens: „Lerne leiden, ohne zu
klagen“. Auch der Marsch durch Deutschland war eigentlich als
Vorbereitung gedacht, denn Nehberg wollte auch wissen, wie lange man
denn ohne Nahrung auskommt? In Deutschland kann man dieses Experiment
schnell abbrechen, aber wenn man erst einmal alleine im Dschungel
oder der Wüste ist, sollte man möglichst keine Panik bekommen, wenn
der Magen knurrt.
Der Mensch kann übrigens
relativ lange ohne Nahrung auskommen, nach ca. drei Tagen
verschwindet das Hungergefühl. Das ist auch für Sie in der Krise
wichtig, wenn einmal die Nahrung knapp werden sollte. Panik hilft
nämlich in den seltensten Fällen weiter.
So wusste Nehberg dann
aber auch, wenn er im Dschungel einmal ein paar Tage nichts zwischen
die Zähne bekommt, bringt ihn das nicht gleich um.
Es ist sehr wichtig, bevor
sich jemand auf derartige extreme und gefährliche Reisen begibt,
dass er sich bestmöglich auf alle denkbaren Eventualitäten
vorbereitet hat. Rüdiger Nehberg war nie lebensmüde und ignorierte
oder verdrängte die Risiken und Gefahren im vorhinein. Das ist auch
einer der primären Gründe, warum er mit mittlerweile 78 Jahren
immer noch unter uns weilt – übrigens geistig wie auch körperlich
topfit.
Wir können und müssen
daraus lernen, dass auch wir uns bestmöglich auf alle Eventualitäten
vorbereiten sollten, dann verlieren auch schwierige Dinge ihren
Schrecken. Wir müssen uns ja nicht freiwillig im Dschungel aussetzen
lassen, aber die Krise wird uns in Situationen hineinkatapultieren,
die nicht immer wünschenswert sind. Wenn Sie sich vorher damit
auseinandergesetzt und Pläne durchdacht haben nach dem Schema: „was
wäre wenn?“, eventuell sogar auch einige materielle Vorbereitung
getroffen haben, dann werden Sie nicht in Panik verfallen. Panik
hilft niemals und endet häufig tödlich, da dann kein klares Denken
mehr möglich ist.
Das ist einer der
Hauptgründe, weshalb jeder sich mit auch leider sehr negativen
Zukunftsszenarien auseinandersetzen sollte. Momentan können Sie
diese Dinge im warmen zuhause bei einer guten Tasse Tee oder Kaffee
in Ruhe durchdenken und Pläne machen. Sollten die Dinge nicht
passieren, haben Sie ein paar Stunden verloren. Geschehen diese Dinge
aber, werden Sie nicht mehr in Panik verfallen, auch wenn natürlich
nicht alle Pläne 1:1 so funktionieren werden, wie Sie sich das
vielleicht vorgestellt haben. Je nachdem, worum es sich handelt,
werden Sie aber im Ernstfall aber auch gar nicht mehr die Zeit haben,
die Dinge lange zu durchdenken. Da werden Sie unter Umständen
innerhalb von Minuten sehr weitreichende Entscheidungen treffen
müssen. Je mehr Sie im Vorhinein durchdacht haben, desto weniger
kann Sie später überraschen und aus der Bahn werfen. Natürlich
werden Sie nicht 100% aller möglichen Entwicklungen vorher umfassen
können. Das konnte Herr Nehberg aber auch nicht und er hat scheinbar
unmögliche Aktionen gut überlebt. Das ist sehr deutlich seiner
akribischen Vorbereitung geschuldet.
Es gibt aber zwei weitere
entscheidende Bereiche, die zum Erfolg von Herrn Nehberg beigetragen
hat: klare Ziele und Beharrlichkeit!
Herr Nehberg hat u.a. zwei
ganz große Dinge erreicht, von denen man im Vorhinein gesagt hätte:
„das wird nie und nimmer funktionieren!“
Zunächst setzte er sich
für ein sehr ursprüngliches Indianervolk im Norden Brasiliens ein.
Die Yanomami-Indianer waren durch die Goldsucher, die immer größere
Flächen in dem Indianergebiet nutzen, von der Ausrottung bedroht.
Nachdem Nehberg zunächst alleine im Regenwald auf die Suche nach
diesen Indianern gegangen war und sie auch fand, wurde er auf die
Problematik aufmerksam. Als nächsten Schritt verdingte er sich dann
zunächst bei den Goldsuchern, um dadurch festzustellen, dass diese
eigentlich auch nur Opfer waren. Es waren primär Arme aus den
Großstädten, die von einer Mafia angeheuert wurden, das Gold zu
suchen und abzuliefern.
Es stellte sich heraus,
dass korrupte Politiker mit dieser Mafia unter einer Decke steckten.
Normalerweise würde man davon ausgehen, dass ein einzelner Mann aus
Deutschland hier nie etwas ausrichten kann. Es hatte am Ende auch 18
Jahre gedauert, aber mit der Zeit bekam Nehberg immer mehr
Unterstützung und natürlich war am Ende auch noch ein wenig Glück
dabei. Der blockierende Staatspräsident wurde irgendwann ersetzt und
dann gelang der Erfolg. Das Glück hilft dem Tüchtigen!
Die Aktion, welche danach
folgte, ist noch unglaublicher. Auf einer Reise durch Nordafrika
wurde Rüdiger Nehberg auf das Problem der Beschneidung von Frauen
aufmerksam. Im Gegensatz zu der männlichen Beschneidung ist das eine
Verstümmelung, welche die Frau ihr ganzes Leben schädigt. Es wird
normalerweise schon bei kleinen Mädchen vorgenommen, wobei ein nicht
geringer Anteil der Mädchen dieses nicht überlebt oder schwere
physische und psychische Schäden für den Rest des Lebens
davonträgt. Vor zehn Jahren wurde dieses in bestimmten Ländern
primär in Nordafrika an den meisten Mädchen durchgeführt. Als
Grund wurde immer der Koran genannt. Es wurde nicht viel darüber
geredet, es war einfach üblich, es zu machen. Aber auch im Rest der
Welt gab es im muslimischen Umfeld durchaus diese Beschneidungen.
Nun würde man sagen, es
ist völlig aussichtslos, hier als Christ aus dem Westen jemals
irgendetwas zu erreichen. Als Rüdiger Nehberg anfing, sich hier zu
engagieren, kamen von anderen auch alle möglichen Vorurteile über
den Islam als solches als Antwort. Rüdiger Nehberg bereitete sich
aber auch hier sehr gut vor und sagte sich, dass es erst einmal
Beweise dafür geben muss. Zusammen mit seiner Frau schaffte er es,
Fotos und Filme von derartigen Vorgängen zu erstellen. Damit ging er
dann die islamische Führungshierarchie immer weiter nach oben, bis
hin zum obersten sunnitischen Führer. Es war relativ schnell klar,
dass im eigentlichen Koran nichts von dieser weiblichen Beschneidung
stand. Erstaunt stellte er fest, dass auch die geistlichen Führer
sehr kooperativ waren, nachdem sie die Bilder gesehen hatten.
Am Ende stand dann eine
von dem Großmufti von Ägypten, Prof. Dr. Ali Gom’a als Schirmherr
einberufene Konferenz, in der die Beschneidung der Mädchen bzw.
Frauen von den obersten muslimischen Religionslehrern offiziell
geächtet wurde.
Das hat nun zu einer
massiven Eindämmung dieser jahrtausendealten schlimmen Praxis
geführt. Er ist hier noch nicht ganz an seinem selbst gesteckten
Ziel, er hat aber bereits Unglaubliches erreicht!
Rüdiger
Nehberg hat hierzu eine Organisation „Target“
(www.target-human-rights.com)
gegründet, die auch weitere Hilfsprojekte wie beispielsweise den Bau
von Krankenstationen vorantreibt. Ich mache an dieser Stelle gerne
Werbung für dieses Projekt, denn es macht sehr viel Sinn und
Spendengelder gehen hier direkt zu sinnvollen Projekten für die
Bedürftigen.
Was lernen wir von Rüdiger
Nehberg als Vorbild?
Es ist fast nichts
unmöglich, wenn Sie folgende Dinge beachten:
Bereiten Sie sich
äußerst akribisch vor und planen Sie für alle Eventualitäten,
die Ihnen in den Sinn kommen.
Haben Sie Geduld und
Ausdauer und seien Sie beharrlich.
Ein wenig Glück braucht
es auch dazu, aber das werden Sie bekommen, wenn die anderen Dinge
stimmen. Insbesondere in der Krise wird es immer wieder Situationen
geben, in denen viele sagen werden: „dieses oder jenes ist doch
aussichtslos!“ Lassen Sie sich von Rückschlägen nicht von ihrem
Ziel abbringen. Auch Rüdiger Nehberg musste viele kleinere
Niederlagen immer wieder hinnehmen, bevor der letztendliche Erfolg
gelang.
Das gilt im Übrigen für
alle Vorhaben. Leider reichen bei vielen Menschen die Geduld und die
Beharrlichkeit oft nicht aus. Auch bedeutet eine akribische
Vorbereitung nun einmal Arbeits- und Zeitaufwand. Nicht zuletzt muss
auch das Ziel sehr klar sein, ansonsten können Sie es nicht
erreichen.
Nehmen Sie sich als
Rüdiger Nehberg als Vorbild, um Planungen für den Krisenfall zu
erarbeiten und denken Sie an seine Herangehensweise, wenn Ihnen in
der Krise Zweifel kommen, ob Sie etwas überhaupt jemals schaffen
können.
Nicht zuletzt ist es sehr
hilfreich, das eine oder andere Buch von ihm zur Hand zu haben. Der
Klassiker ist sein Buch „Überleben ums Verrecken“, in dem er
sein praktisches Wissen vermittelt. Dieses Buch kann in der Krise
unter Umständen lebensrettend für Sie sein!
In handlicherer und etwas
geraffter Form gibt es dann auch noch das „Survival-Lexikon für
die Hosentasche“, welches man sehr gut jederzeit mit sich führen
kann. Sollte Rüdiger Nehberg in Ihrer Nähe einen Vortrag geben,
würde ich unbedingt empfehlen, sich ihn einmal live anzuschauen. Die
Vorträge sind hochinteressant, sehr kurzweilig und aber auch
humorvoll gestaltet.
Rüdiger Nehberg hat mir
dankenswerterweise ein exklusives Interview gegeben, das Sie nun an
dieser Stelle lesen können.
Sowohl
auf Ihren Reisen als auch bei Ihren Projekten gab es sicher immer
wieder Momente, an denen es nicht so gut lief und Sie ans Aufgeben
gedacht haben. Wie konnten Sie sich immer wieder motivieren, in
diesen Situationen nicht das Handtuch zu werfen?
Augenzeuge
von etwas geworden zu sein, ist Motivation und Unbremsbarkeit pur.
Vor allem, wenn es um Dimensionen unüblichen Ausmaßes geht: da
waren der drohende Völkermord an den Yanomami-Indianern in Brasilien
und der größte Bürgerkrieg aller Zeiten: das Verbrechen Weibliche
Genitalverstümmelung.
Ein paar Worte zur Geschichte und
Veranschaulichung der Dimensionen:
Von 1980 bis 2000 galt
mein Hauptengagement dem Kampf um das Überleben der
Yanomami-Indianer in Brasilien. Das letzte große Urvolk des
Kontinents, das sich bis dahin seine ursprüngliche Lebensform
erhalten konnte, wurde nun massiv bedroht durch eine Armee von
Goldsuchern. 65.000 Goldsucher operierten mit 400 Flugzeugen an 120
Landepisten. Bürgerkrieg im Regenwald. Indianerschutzdienst, Armee,
Polizei und Politik arbeiteten Hand in Hand zusammen. Gegen die
Indianer. Das Drama ließ sich gut vertuschen, weil es damals noch
keine Satellitenaufnahmen gab, die öffentlich zugänglich waren und
die Medien sich weitgehend dem diktatorischen Druck der damaligen
Regierung beugten.
Ich war auf die Vorgänge aufmerksam
geworden durch brasilianische Menschenrechtler und entschloss mich,
mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Wie vor jedem Vorhaben,
habe ich mir Strategien überlegt, um gewappnet zu sein gegen alle
denkbaren Widerstände. So wie es auch Peter Denk tut mit seinem
„Krisenrat“. Ich wollte vorbeugen und lebend heimkehren.
Beim
ersten Mal ging ich allein. Allein wirkt man nicht gefährlich. Weder
auf die Goldsucher, noch auf das Militär, noch auf die Indianer.
Mein Survival-Wissen war meine wichtigste Lebensversicherung. Die
Strategie war erfolgreich. Ich wurde Augenzeuge des drohenden
Völkermordes am letzten Urvolk Amerikas. Als solcher fühlte ich
mich verpflichtet, meine Beobachtungen bekannt zu machen und Hilfe zu
organisieren. Bücher, Filme, Vorträge wurden meine Waffen. Was mir
half, nie aufzugeben, waren zunächst die Wut und Verpflichtung des
Augenzeugen. Zu meinen Waffen wurden die (gute) brasilianische
Verfassung, die beschafften Bilddokumente und die Erfolge. Auch wenn
sie nur zögerlich einsetzten.Mein aktuelles Projekt ist
der Kampf gegen das Verbrechen Weibliche Genitalverstümmelung. Meine
Waffen diesmal: die Bilddokumente von der grauenhaften Prozedur, der
Heilige Koran sowie Kraft und Ethik des Islam. Als ich zu Beginn des
Kampfes keine Partner bei deutschen Menschenrechtsorganisationen fand
(„Der Islam ist doch gar nicht dialogfähig!“), haben meine Frau
Annette, fünf Freunde und ich TARGET gegründet, um von Feiglingen
und Zeitgeistpredigern unabhängig zu sein. Ein Rat von Amnesty
International – der beste meines Lebens.
Die Erfolge ließen
nicht lange auf sich warten. Nach nur sechs Jahren durften wir
Fremden (!) in der Azhar zu Kairo (vergleichbar mit dem Vatikan der
Katholiken) eine „Internationale Gelehrtenkonferenz“ einberufen.
Ägyptens Großmufti Prof. Dr. Ali Gom’a hatte dafür sogar die
Schirmherrschaft (noch ein paar Ausrufungszeichen: !!!) übernommen.
Geladen waren die allerhöchsten Theologen des sunnitischen Islam.
Der Beschluss, die Fatwa, kommt einer Sensation gleich. Er schafft
die wichtigste Voraussetzung für das Ende dieser
menschenverachtenden Tradition.
Der Brauch wurde am 24.11.2006
offiziell durch die Religion als „Verbrechen geächtet, das gegen
höchste Werte des Islam verstößt“.
Auch bei diesem
Engagement, genau wie bei dem für die Yanomami, war es zunächst die
grenzenlose Wut von uns Augenzeugen. Dann kamen die Erfolge in Form
der beglückenden Kooperation mit den Geistesführern des Islam
hinzu. Das waren oft Männer im letzten Drittel ihres Lebens, die den
Mut aufbrachten, ihre lebenslang vertretene Meinung zu revidieren und
sich dazu öffentlich dazu zu bekennen. Wir haben uns mit höchstem
Respekt und tiefer Demut vor ihnen verneigt (nachzulesen im Buch
„Karawane der Hoffnung).
Noch ist die Karawane nicht am Ziel.
Die Scham, über den Unterleib der Frau zu sprechen, ist bisher
stärker geblieben als Verstand und guter Wille. Deshalb werden
beeindruckende Aktionen folgen.
Unsere
Homepage und die Medien werden darüber berichten
(www.target-nehberg.de).
Sie
wurden 25 Mal bewaffnet überfallen, in Äthiopien wurde ihr Freund
vor Ihren Augen erschossen, Momente also, in denen Sie Angst hatten.
Wie haben Sie diese Situationen mental überwunden und es geschafft,
dass diese Angst Sie nicht lähmt?
Auch
hier half mir immer die vor den Reisen durchgeführte Analyse aller
denkbaren Gefahren und die entsprechende Vorbereitung darauf. Geistig
und mit Training. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Als ich mit dem
Tretboot, dem massiven Baumstamm und dem Bambusfloß über den
Atlantik wollte, halfen mir, dem immer seekranken Seemann, das
Angstüberwindungstraining bei den Kampfschwimmern und
Marinefliegern, der Navigationslehrgang bei einem pensionierten
Kapitän, Verteidigungsschießen aus der Hüfte bei der Polizei in
Hamburg, Portugiesisch-Kurse u.a.. Die Vorbereitungen waren oft
genauso spannend wie die Reisen selbst. In bedrohlichen Situationen
kommt außerdem das allen Lebewesen veranlagte instinktive Verhalten
zum Durchbruch, die übermenschliche Kraft, die der Todesangst
entspringt. Lähmung habe ich nie empfunden.
Der
Erfolg Ihrer Missionen und Projekte hängt sicher auch mit dieser
Ihrer jeweiligen sehr ausführlichen Planung im Vorfeld zusammen.
Haben Sie sich mögliche Problem-/Krisenszenarien im Vorhinein
überlegt und wie Sie darauf reagieren werden ? Wie viele dieser
Szenarien sind dann tatsächlich eingetroffen und wie stark hat Ihnen
das dann im Nachhinein geholfen? Wie stark war auch die Fähigkeit zu
improvisieren gefragt?
Nach
jedem Überfall dachte ich, DAS passiert mir nicht noch einmal. Dann
kam der nächste Überfall, und der war wieder komplett anders.
Situationen, wo das blitzschnelle Reagieren und Improvisationstalent
gefragt sind und dieses Gespür wächst mit den Erfahrungen. Ein
Beispiel: vor der Reise zum Blauen Nil haben wir immer wieder das
Szenario durchgespielt, nach einem unerwarteten Überfall versprengt
worden zu sein. Unbekanntes Gelände. Verfolgt von Landeskennern. Wie
bringt man sich in Sicherheit? Wie findet man einander in unbekanntem
Gelände wieder, ohne Kontakt miteinander zu haben? Wie muss der
Überlebensgürtel bestückt sein, um auch allein bestmöglich und
selbst nach Wochen der Flucht lebend heimzukehren? Wie lange
funktioniere ich ohne Nahrung (Live-Test)?
Sie
haben sowohl bei Ihren Reisen, insbesondere aber auch Ihren Projekten
wie TARGET oder der Rettung der Yanomami-Indianer Dinge geschafft,
von denen vorher die meisten Menschen gesagt hätten, dass es
unmöglich sei. Können Sie schildern, welche Faktoren für diese
Erfolge ausschlaggebend waren?
Es
gibt einen schönen Postkartenspruch:
„Alle
sagten, das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat
es einfach gemacht.“
Die
Es-geht-nicht-Sager gibt es zuhauf. Meist wollen sie damit vor allem
ihre eigene fehlende Courage übertönen. Mit solchen habe ich nie
meine Zeit vergeudet. Für die Atlantik-Überquerungen genügten mir
physikalische Grundkenntnisse, die besagen, dass Leichtes auf
Schwererem schwimmt. Entsprechend habe ich mein Tretboot, den
massiven Baumstamm und das Bambusfloß gebaut und den Atlantik
überquert. Zweimal allein, einmal mit Partnerin.
Bei der
Annäherung an die Yanomami-Indianer habe ich anderen Grundregeln
vertraut. Ich ging allein. Da wirkte ich auf niemanden gefährlich.
Ich ging fast unbekleidet. Da sah jeder schon von Weitem meine
Wehrlosigkeit. Ich machte Musik auf einer Mundharmonika und
signalisierte jedem, dass ich gesehen werden wollte und Positives im
Sinn hatte. Nur Feinde schleichen.
Außerdem hatte ich fast
kein Gepäck. Der Urwald war mein Supermarkt. Dadurch war ich
flexibler als jeder im Dschungelkampf trainierte Soldat. In Sachen
FGM (Anm. Autor: Weibliche Genitalverstümmelung) wusste ich, dass
der Koran es nicht fordert, sondern ablehnt, Menschen grundlos
Schaden zuzufügen. Ich wusste auch, dass Männer bei den Operationen
meist nicht zugegen sind. Ihnen fehlt das Wissen um die Dimension
dieser Schändung und vergleichen sie fälschlicherweise mit
Männerbeschneidung. Dieses fehlende Wissen vermittelte ich ihnen
mittels ungeschönter Aufnahmen.
Mein Vertrauen in Islam und
Muslime basiert auf Erlebnissen in meiner Twen-Zeit. Das waren
positive Erfahrungen in jordanischen Gefängnissen und auf eigenen
Karawanen. Überall habe ich die hohe Ethik islamischer
Gastfreundschaft erfahren. Zweimal retteten mir muslimische
Karawanenführer bei Überfällen sogar mit ihren Körpern als
lebende Schilde das Leben. So was verpflichtet. Hinzu kommt, dass ich
frei bin von westlicher und christlicher Überheblichkeit. Die
Indianerausrottung, Inquisition, Kreuzzüge sind nur wenige
Beispiele, die mich auf sachliche Distanz zum Christentum gebracht
haben. Mit 17 bin ich ausgetreten.
Sie
haben auch sehr viel mit Menschen zu tun. Nicht alle waren/sind Ihnen
sicher positiv gegenüber eingestellt. Nach meiner Einschätzung
gehen Sie aber sehr positiv auf Menschen unterschiedlichster Herkunft
und Tradition zu.
Gibt
es hierbei Dinge, die Sie beachten und die Ihnen dabei dienlich sind,
überall auf der Welt Unterstützung und Freundschaft zu finden?
Ich komme als Mensch zu
Mensch, in Augenhöhe, mit Respekt und Interesse an seiner Kultur,
möglichst mit einem Lächeln, gern mit Humor. Ich habe mir ein
soziales Verantwortungsbewusstsein erhalten und helfe, wenn ich
merke, dass Betroffene sich nicht selbst aus ihrer verzwackten
Situation befreien können. So wie die Deutschen der Hilfe der
alliierten ausländischen Streitkräfte bedurften, um vom Joch der
Nazis befreit zu werden, so bedürfen es die genitalverstümmelten
Frauen. Die volkseigenen Traditionen lassen eine Änderung kaum
zu.
Dass ich oft überraschend Unterstützung in höchsten Kreisen
fand, lag daran, dass ich solche Entscheidungsträger einfach gefragt
habe. Immerhin waren darunter der Papst, die Weltbank, der Großsheikh
der Azhar, der Großmufti Ägyptens und viele andere Menschen, die
hierarchisch darunter einzuordnen sind.
Wie
gehen Sie mit Ablehnung um?
Mit
Ablehnungen habe ich keine Probleme. Auch ich kann nicht jedes
Anliegen erfüllen, das an mich gestellt wird. Aber sie deprimieren
mich nicht. Im Gegenteil. Sie sind notgedrungen der Quell neuen
Nachdenkens, großer Inspirationen.
Gibt
es Dinge, die Sie aufgrund Ihrer umfangreichen Lebenserfahrung
Menschen mitgeben würden, damit diese zunächst ihr Leben besser
meistern und auch mit Krisen besser umgehen können?
Niemand
ist zu gering, Missstände zu beheben. Es ist keine Frage von
Herkunft, Geschlecht, Alter, Wohlstand, sondern eine der guten
Strategien. Man erinnere sich nur daran, dass alles Menschgemachte
immer zunächst im Kopf einer einzigen Person entstanden ist. Egal,
ob die eine Religion, Partei, ein Dorf simple Nachbarschaftshilfe
oder PETERs DENKanstöße begründet hat. Ich erinnere mich an einen
Religionsgründer, der einfacher Zimmermannsgehilfe gewesen sein
soll, ein anderer war Kaufmann. Che Guevara war
Mediziner, Nelson Mandela Rechtsanwalt. Ich war Bäcker, ein
überlebenswichtiger Beruf.
Gibt es mentale
Techniken, spirituelle Techniken (Meditation, Yoga, Gebet) die Sie
praktizieren und die Ihnen helfen?
Ich
habe mich mit Autogenem Training auf die erste Atlantikreise und die
erste Begegnung mit den Indianern eingestellt. Ich bin aber kein
meditativer Mensch, verlasse mich nicht auf Sterne, sondern
ausschließlich auf mich selbst und das, was die Natur mir mitgegeben
hat. Ich bin Pragmatiker. Darüber hinaus vermeide ich, das zu
kopieren, was andere schon hundertmal vorexerziert haben. Getreu der
Devise: „Wer mit der
Herde geht, kann nur den Ärschen folgen.“
Wie
stehen Sie zu aktuellen Lage in Europa und der Welt, und was erwarten
Sie in naher Zukunft ?
Die
Gründung der EU habe ich seinerzeit beglückt staunend zur Kenntnis
genommen und stehend bejubelt. Als Europa den Friedensnobelpreis
erhielt, habe ich mir sofort eine Europafahne gekauft und sie an
meinem Straßenmast hochgezogen. Nach den Jahrtausenden der
Feindschaften und Kriege dieses unvorstellbare Ereignis!
Der
Nachteil zeigt sich jetzt. Da sind in der Hektik der Gründereuphorie
Vereinbarungen unter Völkern unterschiedlichster Wesensart getroffen
worden, die nicht ausgereift waren. Sie müssten revidierbar sein und
nicht so, dass einer für den anderen haftet, egal wie aberwitzig
dessen Inkompetenz ist.
Die Zukunft der Welt wird geprägt
sein von Konfrontationen zwischen Arm und Reich. Überbevölkerung,
Migrationen, Klimaveränderungen und religiöser Wahn werden zu
großen Herausforderungen für unsere Nachkommen werden. Dagegen
stehen des Menschen Intelligenz mit seinem explodierenden
Erfindungsreichtum.
Zur Lösung der menschlichen Probleme
müssten die Weltreligionen ihren Einfluss in die Wagschale werfen.
Ein interreligiöser Krisenrat, der auf missionarisches Gedankengut
verzichtet und die Kräfte seiner Religion in friedliche und
konstruktive Bahnen lenkt, wäre ein solches Beispiel. Wenn wir das
nicht einsehen, werden Katastrophen uns die Entscheidungen abnehmen.
Und später im großen Himmelreich wird unser aller Schöpfer uns
verraten, wessen Religion nun wirklich die bessere gewesen ist.
Was
raten Sie jemanden, wenn er vor die Situation gestellt würde, in
Deutschland mindestens zwei Wochen ausschließlich in der Natur
überleben zu müssen? Was sollte er zur Vorbereitung kaufen und/oder
trainieren ?
Sich mit dem
grandiosen Thema Survival auseinandersetzen, dieser vielgestaltigen
Kunst zu überleben, der Rückbesinnung auf Urinstinkte und
Urfertigkeiten, wie jedes frei lebende Tier sie besitzt, und die uns
durch den Luxus des Wohlstandes längst abhandengekommen sind. Wer
meine Bücher „Überleben ums Verrecken“ und „Medizin Survival“
gelesen hat, hat genau die Einführung, die mir mein Leben ermöglicht
hat. Er/sie wird unsterblich.
Wem
das nicht unbedingt das lohnenswerteste Ziel ist, der findet in den
Büchern auch Anregungen zum Freitod.
Nach dem Studium der
Bücher verbündet man sich mit einem/r Gleichgesinnten und startet
die vielfachen Trainings. Von der einfachen Kuschelnacht am
Lagerfeuer bis hin zum Arctic Sadistic Training, wo man mit Fürzen
Löcher ins Eis schmilzt, um sich Fische herauszuholen. Aberwitz,
Lebenslust und Lebensgefahr pur. Ohne Versicherung. Gut planen, aber
dem Restrisiko eine faire Chance lassen. Sonst wird’s
langweilig.
Oder meine anderen Bücher lesen, in denen ich vom
Deutschlandmarsch ohne Ausrüstung, Atlantik-, Wüsten- und
Dschungelerlebnissen berichte. Gebrauchsanweisungen für pralles
Leben, für jeden Menschen, zu allen Zeiten.
Sie
haben sehr große Strecken zu Fuß zurückgelegt, was viele Menschen
hierzulande überhaupt nicht mehr kennen. Worauf muss man achten,
wenn es doch einmal notwendig sein sollte ? Wie viele km legt man als
untrainierter Wanderer pro Tag realistisch zurück, wenn man kein
Hotel und Einkaufsmöglichkeit hat ? Welche Tipps haben Sie ?
Die
Gebrauchsanweisung dafür ist mein Deutschlandmarsch ohne Nahrung und
Ausrüstung von Hamburg nach Oberstdorf. Nachzulesen im Buch „Voll
peinlich“.
Rüdiger Nehberg hat sicher auch
Ansichten, die nicht jedermann teilen muss. Ich denke aber, aus
seiner Erfolgen und Erfahrungen können Sie sich einiges für Ihr
eigenes Leben und dessen Gestaltung abschauen. Gerade in der
zukünftigen Krise werden wir Menschen benötigen, die mutig und mit
ihrem Ziel vor Augen vorangehen mit der Devise: „Unmöglich
gibt es nicht !“Also gestalten Sie Ihre Zukunft selbst
und gehen Sie mutig voran, egal was auch immer um Sie herum passieren
wird. Natürlich gibt es auch immer wieder einmal Dinge, die am Ende
dann doch nicht funktionieren. Wenn Sie es aber gar nicht erst
probieren, haben Sie schon von vornherein verloren.