Mittwoch, 25. Juli 2012

Experten - Wie trenne ich die Spreu vom Weizen ?


Ich weiss nicht, ob es Ihnen nicht auch schon einmal so ergangen ist. Wenn ich mit Menschen über die aktuelle Situation in Europa und der Welt diskutiere, gebe ich natürlich immer wieder Aussagen von Experten an, die meine Argumentation unterstützen. Da ich natürlich der festen Überzeugung bin, dass Euro, Wirtschaft und Weltfinanzsystem sehr bald zusammenbrechen werden, benenne ich dann Prof. Hankel, Prof. Otte, Dirk Müller und andere. Ich bekomme daraufhin immer wieder die Antwort zu hören, dass es ja auch viele andere Experten gäbe, die genau das Gegenteil behaupten würden. Das ist grundsätzlich natürlich richtig... In jeder Talkshow treffen die Meinungen dann aufeinander.
Eine schöne Zuspitzung hatte diese Auseinandersetzung erfahren, als kurz nach der Bundestagsabstimmung zum ESM am 29. Juni der Aufruf von aktuell 243 Wirtschaftswissenschaftlern herauskam, der vor allem vor einer Bankenunion eindringlich warnt.

Danach kam dann eine Gegendarstellung von 15 renommierten Ökonomen (mittlerweile haben 191 unterschrieben) und natürlich reagierten auch Politiker wie Herr Schäuble verschnupft, da sie die Situation ja viel besser verstünden, als diese nervigen Nörgler.
 
Ich bin von Haus aus Ingenieur und habe mir schon lange vor diesen Diskussionen und Ereignissen überlegt, wie ich denn neutral und auch ohne zu sehr meine eigene Erwartungshaltung hier einfliessen zu lassen, die Qualität der jeweiligen Experten und deren Meinungen messen kann.

Titel und Positionen sind hier nur sehr begrenzt eine hilfreiche Messgröße. Offensichtlich vernebelt häufig auch die Weltanschauung, die politische Ausrichtung oder auch die Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen die Fachkompetenz. Wenn Wirtschaftsprofessoren offensichtlich die Zinseszinsrechnung nicht verstanden haben bzw. die Konsequenzen daraus nicht sehen möchten, hat das wahrscheinlich nichts mit ihrer mangelnden Intelligenz zu tun, sondern eher mit den erstgenannten Faktoren.

Wenn man sich die Frage stellt, warum man denn überhaupt auf einen Experten hören soll, kommt man zu dem Schluss, dass man natürlich von ihm wissen möchte, wie die Zukunft aussieht. Genau hier setzt nun mein Messverfahren an. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass diejenigen, die früher schon eine sehr gute Trefferquote hatten, diese weiterhin an den Tag legen werden. Offensichtlich ist ihre Methode besser geeignet, die Dinge zu durchschauen.

Es gibt natürlich auch Menschen, die ihre Meinung ändern wie z.B. Prof. Sinn oder Hans-Olaf Henkel. Diese muss man zunächst „unter Beobachtung“ stellen, da sie ihre früheren Aussagen zumindest selbstkritisch nun in Frage stellen. Man sollte ihnen durchaus einen Vertrauensvorschuss geben, aber für die Messmethode scheiden sie natürlich aus.

Ich möchte auch an dieser Stelle betonen, dass es hier nicht darum gehen kann, welche Menschen man nun mag oder nicht. Dieses sollte im Gegenteil zunächst keinerlei Rolle spielen. Wenn man seine Nachforschungen gewissenhaft durchführt, wird man durchaus auch die eine oder andere Überraschung erleben. Da hat dann doch jemand häufig daneben gelegen, den man als sehr kompetent eingeschätzt hatte und jemand, den man nicht leiden kann, hat aber durchaus auch treffende Dinge gesagt. Am Ende läuft es immer auf eine Abwägung heraus, ob die Fehleinschätzungen oder die eingetroffenen Prognosen überwiegen.

Bei allen Experten, die sich als sehr treffsicher erwiesen haben, kann ein Faktor leider nicht genau bestimmt werden: die Zeit. Wir alle laufen immer wieder Gefahr, durch verschiedene Anzeichen zu glauben, dass etwas nun sehr bald eintreten muss. Natürlich möchten die Menschen auch immer gerne wissen, zu welchem Zeitpunkt etwas passiert? Leider ist genau dieses offensichtlich nicht exakt zu bestimmen.
Das ist im Übrigen nicht nur bei wirtschaftlichen Prognosen so, auch bei den meisten anderen Vorhersagen ist die Zeitkomponente meistens nicht klar zu definieren. Das liegt häufig an Faktoren, die eine erwartete Entwicklung anstossen, deren „Auslöse-Level“ wir aber nicht kennen können. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Bankrun. Zu einem Zeitpunkt X ist dieser nicht mehr beherrschbar. Was nach X passiert, ist klar vorhersagbar, wann X eintritt, nicht.

Die Beharrungskräfte des Systems werden auch häufig unterschätzt. Da es für viele Menschen jetzt „um das Ganze geht“, insbesondere bei den sogenannten Eliten, versuchen diese auch mit allen noch zu Verfügung stehenden Mitteln, den Status Quo zu erhalten. Diese wissen bewusst oder auch nur innerlich ganz genau, dass es jetzt nicht mehr nur um ihre Posten oder Bezüge geht, sondern dass wahrscheinlich Leib und Leben gefährdet sein dürfte. Da strengt man sich schon ziemlich an...
Auch darf man nicht erwarten, dass Prognosen bis auf das letzte Detail eintreffen werden. Es gibt immer eine große Anzahl von Unbekannten, die Abläufe verändern können. Wichtig ist es nur, dass jemand die übergeordneten Zusammenhänge richtig erkannt hat und daraus die passenden Schlüsse zieht.

Grundsätzlich gibt es massenhaft Beispiele von Politikeraussagen, die auch schon nach sehr kurzer Zeit Lügen gestraft wurden. Mitte 2008 träumten noch viele Politiker beispielsweise von dem nun „stabilen Aufschwung“, der dann auch bald für Vollbeschäftigung sorgen würde. Schon ein paar Wochen danach rutschte Deutschland in die größte Rezession der bundesrepublikanischen Geschichte. Die Bankenkrise wurde teilweise bis zum Fall der Lehman Brothers abgestritten, die Griechenland- Krise wurde erst zugegeben, als man sich lächerlich gemacht hätte, wenn man sie weiter verleugnet.
Dann war Griechenland lange ein „Einzelfall“, bis die Ereignisse in anderen Ländern nicht mehr zu verbergen waren. Mittlerweile wird auch nicht mehr abgestritten, dass wir eine Eurokrise haben, was lange Zeit ein Tabuthema darstellte.

Ich gestehe jedem Menschen zu, dass er sich auch einmal irrt. Leider ist keinerlei Lerneffekt bei den meisten dieser „Experten“ festzustellen. Die „Ausrede“ kam dann immer wieder, dass die Entwicklungen ja „unvorhersehbar“ gewesen seien. Dieses wird aber klar durch die Experten der ersten Kategorie Lügen gestraft. Besonders schwer wiegt auch die Diffamierung und der Spott, den Kritiker der offiziellen Linie über sich ergehen lassen mussten und immer noch müssen. Genau diejenigen, die nachweislich immer falsch lagen, versuchen ihre Kritiker als „Feinde Europas“, als „Schwarzseher“ und vieles mehr zu titulieren. Ich frage mich also deutlich: „warum sollten diese Herrschaften nun auf einmal richtig liegen, wenn sie doch in der Vergangenheit nachweisbar immer wieder Fehleinschätzungen unterworfen waren ?“.

Je nachdem, wie viel der zu prüfende Experte veröffentlicht hat, ist es sehr einfach seine Aussagen von früher zu finden. Geben Sie einfach in der Suchmaschine Ihrer Wahl den Namen des Experten, das Thema und das Jahr ein (z.B. Schäuble Euro 2010), dann erhalten Sie ein Menge Links zu Interviews und Texten von diesem Experten aus jener Zeit.
Teilweise haben bekannte Experten sogar ihre eigene Webseite (wie z.B. Dr. Schäuble oder Prof. Walter), auf der sie ihre Interviews fein säuberlich gesammelt und mit Datum versehen haben. Auch bei Herrn Eichelburg auf hartgeld.com ist es durch das vollständige Artikelarchiv sehr einfach, eigene Nachforschungen zu betreiben.
 
Natürlich bedeutet es einen gewissen Zeitaufwand, das Material zu sichten und die entscheidenden Informationen für sich zu extrahieren. Es lohnt sich aber.

Die beste Variante ist meiner Meinung nach allerdings nach wie vor, sich überhaupt keinen „Experten“ zu unterwerfen, sondern sich selbstbestimmt seine eigene Meinung zu erarbeiten. Viele Themenbereiche sind eigentlich gar nicht so kompliziert, dass man sie nicht zumindest grundlegend verstehen könnte. Mit den Massenmedien alleine funktioniert das heute natürlich nicht mehr.
Gehen Sie einfach genauso vor, wie bei der hier vorgestellten Methode zur Einschätzung der Kompetenz von Experten. Machen Sie sich bitte die Arbeit und forschen Sie selbst nach.
Überlegen Sie sich vorher, welche Faktoren Sie benötigen, um ein sicheres Wissen über eine Tatsache zu erlangen und erarbeiten Sie es sich dann selbst. Sie gewinnen dadurch eine sehr starke Sicherheit in Ihrer Weltsicht. Das ist sehr wichtig, damit Sie standhaft bleiben, wenn Ereignisse oder Zweifler Sie wieder zum Wanken bringen wollen.

In der Diskussion mit anderen kann es aber trotzdem hilfreich sein, auf Experten zu verweisen, die schon mehrfach nachweislich Recht gehabt haben.

Ich bin mir sehr sicher, dass wir spätestens ab Herbst diesen Jahres auch wieder eine Reihe von Ereignissen erleben werden, die angeblich „nicht vorhersehbar“ waren. Der „alternativlose“ ESM wird dazu führen, dass spätestens dann Deutschland auch in den Strudel der sinkenden Kreditwürdigkeit gezogen wird. Eigentlich pfeifen das schon die Spatzen von den Dächern, aber viele Politiker und „Experten“ ignorieren diese Tatsache aktuell penetrant. Sie dürften dann wieder „sehr überrascht“ sein und den bösen Märkten die Schuld geben. Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis es den Euro zerreisst, aber die Wahrscheinlichkeit ist extrem hoch. Auch dann wird man wieder Schuldige definieren und Gründe dafür angeben, die angeblich „nicht vorhersehbar“ waren.

Wenn Sie Artikel oder Interviews von 2007 oder vorher lesen, denken Sie bitte daran, dass jeder damals ausgelacht oder zumindest mitleidig angesehen wurde, wenn er überhaupt eine Krise vorhergesagt hatte. 99% der Menschen hätten sich damals nicht im Traum vorstellen können, allein was schon in den Jahren 2008 (Lehman, IKB, Hypo Real Estate), 2009 (schwerste Rezession auch hier in Deutschland, Pleiten und Rettungen: Quelle, Opel, etc.) und 2010 ff (ganze Länder innerhalb Europas gehen unter wie Island, Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, ...) dann passiert ist.

Heute wissen die Menschen durch die Erfahrungen der letzten Jahre immerhin, dass offensichtlich das System doch nicht ganz so stabil ist, wie sie früher geglaubt hatten. Viele Menschen haben sich gedanklich jetzt aber wieder „eingerichtet“ und wollen erneut nichts hören.

Auch ich wurde damals häufig belächelt, wenn ich 2006 vor einer Krise gewarnt hatte und der eine oder andere von Ihnen dürfte diese Erfahrungen auch gemacht haben. Umso beeindruckender ist es, dann Aussagen aus jener Zeit zu lesen, die genau dieses vorhersagen. Details sind sicher anders verlaufen, aber grundsätzlich waren wir nicht wirklich überrascht. Einzig die Dauer, über die sich die Vorgänge hinziehen, ist wirklich erstaunlich.

Wenn Ihnen also demnächst wieder einmal jemand über den Weg läuft, der Ihnen vorjammert, dass     die einen Experten die Lage so und die anderen Experten völlig anders beurteilen, dann wissen Sie nun, was zu sagen ist. Teilen Sie ihm mit, dass man mit ein klein wenig Interesse und Aufwand sehr wohl die Spreu vom Weizen trennen kann.

In meinem erweiterten Artikel habe ich einmal folgende Experten beispielhaft unter die Lupe genommen:
  • Walter Eichelburg
  • Prof. Wilhelm Hankel
  • Gerald Celente
  • Josef Tenhagen
  • Prof. Norbert Walter
  • Dr. Wolfgang Schäuble
Artikel - Experten