Freitag, 15. März 2013

Das EU-Strategiepapier des Herman van Rompuy


EU-Strategiepapier Cover
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Am 5. Dezember 2012 wurde ein Papier mit der Bezeichnung „Towards a genuine economic and monetary union“ von dem EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy herausgegeben. Als Mithelfer werden aufgeführt:

  • Jose Manuel Barroso, EU-Komissionspräsidnet
  • Jean-Claude Juncker, Präsident der Eurogruppe
  • Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank

Ich würde sagen, da haben ja die richtigen „Pappenheimer“ zusammengesessen. Das Papier ist öffentlich, von daher habe ich mir keine großen Geheimnisse erwartet, aber es ist doch auf jeden Fall einmal interessant zu sehen, wohin die Reise nach Meinung der aktuell Mächtigen in der EU führt. Auch kann zwischen den Zeilen das eine oder andere entdeckt werden.

Bezeichnend ist es auf jeden Fall schon einmal, dass alle oben genannten Personen nicht durch einen demokratischen Prozess in ihre Funktion gekommen sind. Was sie allerdings vorhaben, sind weitestreichende Änderungen in der Art und Weise, wie die Menschen in den Ländern Europas zukünftig regiert werden. Neben ein paar Lippenbekenntnissen kommt hier natürlich auch nicht ansatzweise die Idee auf, eventuell eine Volksabstimmung durchzuführen.
Das Papier an sich ist mit 18 Seiten nicht besonders umfangreich, lesen Sie es sich doch einmal durch, wenn Sie des Englischen mächtig sind.

Grundsätzlich wird ein dreistufiger Plan skizziert, um zu einer einheitlichen wirtschaftlichen und monetären Union zu gelangen. Die erste Stufe begann bereits im letzten Jahr und soll in diesem Jahr abgeschlossen werden. Stufe zwei beginnt 2013 und endet 2014. Die dritte Stufe findet dann nach 2014 statt.
Das ganze Papier dreht sich in unterschiedlichen Bereichen primär darum, Kompetenz und Macht von den nationalen Autoritäten und Parlamenten in der EU zu zentralisieren.



In Stufe 1, die bereits  läuft, geht es zunächst darum, den sogenannten SSM (Single Supervisory Mechanism) für die Bankenaufsicht zu etablieren. Die EZB soll die nationalen Bankenaufsichtsbehörden ablösen und dadurch die Banken unter eine bessere Kontrolle gebracht werden. Wir erinnern uns: der Chef der EZB hat hier mitgeschrieben und ist ein Mann von Goldman Sachs. Ich gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Banken feiern werden, wenn dieses implementiert wurde. Viele nationale Aufsichten hat man nicht so einfach im Griff, wie eine zentrale. Als „Nebensatz“ soll der ESM nun auch direkt Banken kapitalisieren können. Wir erinnern uns: Deutschland zahlt den Löwenanteil in den ESM ein und wenn dieses beschlossen wird, retten Sie mit Ihrem Steuergeld marode spanische und griechische Banken, ohne dass es vorher irgendwelche Auflagen an die Länder gäbe.
Weiterhin möchten sie in Stufe 1 eine Grundlage für die Koordination und Vereinheitlichung großer wirtschaftlicher Regelreformen schaffen. Die nationalen Sicherheitsmechanismen sollen „harmonisiert“ werden. Für Deutschland heißt das: das Sparkassen- und Volksbanksystem wird erneut attackiert und unser Einlagensicherungsfonts dürfte dann die Guthaben in Südeuropa sichern.

In der zweiten Stufe soll eine „Common resolution authority“ geschaffen werden, eine weitere Institution, die alle finanzpolitischen Entscheidungen zentral durchführt. Während der ESM die finanzielle Souveränität der Staaten noch ein Stück weit durch die Hintertür aushebelt, passiert es hier dann unmittelbar.

Die dritte Stufe verfolgt das Ziel, die Entscheidungen über die nationalen Budgets komplett zu zentralisieren. Außerdem sollen dann die Steuer- und Arbeitsgesetze zentral vereinheitlicht werden. Man möchte gerne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angleichen, damit die Ungleichgewichte bekämpft werden. Wir haben ja bereits des Öfteren zu hören bekommen, dass Deutschland zu erfolgreich wäre. Natürlich wäre es toll, wenn ganz Europa so leistungsfähig wäre wie Deutschland, aber ist das realistisch? Es wird viel eher so aussehen, dass sich die starken Staaten den schwachen angleichen werden, wenn man tatsächlich dieser Gleichmacherei folgen will.

Immer wieder wird in diesem Papier auch von finanziellen Anreizen für Länder zu Reformen, zu „begrenzten“ Rettungen von Banken und anderem geschrieben. Nirgendwo wird in diesem Papier allerdings thematisiert, wo das Geld dafür herkommen soll?
Ich meine, das ist eigentlich eine rhetorische Frage, die Antwort kennen wir in den sogenannten „Zahlerstaaten“ ja bereits...

Etwas worüber ich in dem Papier auch gestolpert bin, ist die „Einsicht“, dass man in der Eurozone ja leider nicht die Möglichkeit hat, Kurse zwischen Währungen zu verändern, um gewisse Dinge zu steuern...

Ach was ?

Das hat Professor Hankel und andere in seiner Klage gegen den Euro schon vor langer Zeit festgestellt. Auf einmal ist es auch diesen Herren nun eingefallen. Aber es wird sowieso mehrfach auch in diesem Papier frech erwähnt, dass die Krise nun die gewünschten Integrationsbemühungen unterstützen würde. Dieses zeigt, dass man ganz offensichtlich den Euro mit dem vollem Bewusstsein eingeführt hat, dass es Probleme geben würde.

Euroeinführung → Probleme aufgrund uneinheitlicher nationaler Randbedingungen → Eurokrise → „Alternativlose“ Lösung: Einheitsstaat!

Natürlich möchten sie dann auch endlich EU-Repräsentanten haben, die sie vorzeigen können. Schöne neue Posten mit viel Macht und wohlklingenden Namen.

„Finally, as the EMU evolves towards banking, fiscal and economic union, its external representation should also be unified.“

"Schließlich, wenn sich die einheitliche wirtschaftliche und monetäre Union in Richtung Banken, Finanzen und Wirtschaft entwickelt, sollte ihre Repräsentation nach außen auch vereinheitlicht werden."

Alle hier genannten zu schaffenden Institutionen und Regelwerke haben keine demokratisch legitimierte Grundlage. Es wird zwar in dem einen oder anderen Fall darauf hingewiesen, dass „auf jeden Fall“ die nationalen Parlamente oder das Europaparlament entsprechend beteiligt werden müssen. Die Worte hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Von dem Vertrag von Lissabon über EFSF bis insbesondere dem ESM haben diese Herrschaften bisher gezeigt, dass jegliche demokratische Kontrolle oder Mitbestimmung der Bevölkerung gänzlich unerwünscht ist. Das Europaparlament ist bis heute ein teuer bezahlter Debattierclub ohne Macht. Das hätte man schon lange einmal ändern können. Es ist aber letztendlich gar nicht gewünscht. Die kleinen Änderungen an Mitbestimmungsrechten ab und zu sind reine Kosmetik. Ein Anfang wäre es doch schon einmal, wenn jeder EU-Kommissar vom Parlament mehrheitlich gewählt werden müsste. Aber dann könnte man ja nicht mehr problemlos jeden „Hansel“ in die Kommission hineinhiefen, den man dort gerne haben möchte.

Die Krönung der Unverschämtheit findet sich in einem Textkasten, in dem direkt nach der Erwähnung des ESM bezüglich der neuen Institutionen geschrieben wird, dass diese mit einer angemessenen demokratischen Kontrolle und Rechenschaftspflicht ausgestattet werden sollen. Der ESM ist in jeder Beziehung undemokratisch, gerichtlich nicht belangbar und die Mitarbeiter können ohne jegliche Rechenschaft dort schalten und walten, wie sie wollen. Von daher ist diese Aussage keinen Pfifferling wert, genauso wenig wie die nachfolgende, dass alles kosteneffektiv sein soll und die Steuern dafür nicht erhöht werden sollen. Da muss ich nun doch einmal herzlich lachen. Beim ESM hätten sie es ja schon einmal zeigen können, wenn sie dieses tatsächlich ernst meinen würden. 

In dem kompletten Papier kommen übrigens nicht ein einziges Mal die Wörter „Bevölkerung“, „Volk“ oder „Menschen“ vor. Am Anfang werden zweimal kurz die „Bürger“ Europas erwähnt. Dieses zeigt schon deutlich, wo hier die Prioritäten liegen. Natürlich würde auf die Frage danach sofort versichert werden, dass alles natürlich nur zum Besten der Bevölkerung geschieht. Wenn diese aber praktisch überhaupt nicht erwähnt wird, zeigt sich sehr deutlich, wessen Geistes Kind dieses Papier letztendlich ist.